„Good morning Madame!“

Jeden Morgen um Punkt 8 / 9:20/ 11 oder 13 Uhr sollte dies in meinen Ohren klingen… Die Realität? Ich komme rein, drei Schüler begrüßen mich und dann fangen erstmal etwa  100 Schüler, die für mich aufgrund der Schuluniform noch so ziemlich alle gleich aussehen, an, Stühle auf den Köpfen von Klassensaal zu Klassensaal zu tragen und überall rumzukramen.

Die letzten paar Meter vor der Schule

Willkommen in der Form IB!

Die älteren Schüler bei der Examination. Die Farbe der Schuluniform wechselt mit der Klassenstufe.


Ich möchte ein bisschen berichten wie das in der Schule bisher so läuft…
Vor etwa drei Wochen hatte David mich hergefahren und nach dem Gespräch mit dem Schulleiter stellte sich heraus, ich solle Form I (drei Klassen à 50-60 Schülern) in Biologie unterrichten, so wie es meine Vorfreiwillige Lynn getan hat. Vorerst hieß es jedoch: Ohne Workpermit, keine Arbeit. Der Grund hierfür abgesehen, dass es natürlich nicht so ganz erlaubt ist (bei den anderen Freiwilligen aus Tansania war es eigentlich kein Problem, dass das Workpermit nachgereicht wird)… Ich bin offensichtlich weiß 😀 und das so ziemlich als einzige hier in der Gegend. Aus diesem Grund meinte der Schulleiter würde ich bei einer Kontrolle direkt auffallen, da es hier im näheren Umkreis sonst keine Freiwilligen gibt. (Heute kann ich sagen: Er hatte Recht, jedenfalls zum Teil.. am Ende nochmal kurz was dazu. 🙄) Ein bisschen geknickt war ich schon aber scheinbar hat er ziemlich schnell seine Meinung geändert. Ich sollte nämlich Montags nach dem Wochenende doch mal zu Schule kommen. Mein Montag gestaltete sich in etwa so wie der folgende Dienstag… aus Warten. Ich wurde nach einem kurzen Besuch beim Academic Office, um dann doch schon meinen Stundenplan zu machen (ich war ein wenig verwirrt?), in den Staff Room verfrachtet und verbrachte beide Tage bis jeweils Nachmittags nur dort und wartete auf meinen Plan. Hört sich jetzt echt langweilig an… War es auch 😀 Jedoch war es auch eine gute Möglichkeit, das noch relativ junge Lehrerkollegium kennen zu lernen.

Mein Platz im Lehrerzimmer der gleichzeitig (wie auch die Couch) als Aufbewahrungsort einiger Lehrer für sämtliche Hefte genutzt wird 😀

In der ersten Woche sollte mich Madame Amina mitnehmen und mir alles ein wenig zeigen. Sie war die derzeitige Bio-Lehrerin der Form I, die ich (wie ich es Mittwochs dann erfahren habe) ab der folgenden Woche komplett übernehmen sollte. Mittwoch habe ich dann Madame Amina zu zwei Bio-Stunden begleitet. Danach erstmal durchatmen. Durch meinen Kopf schossen Fragen über Fragen… Gibt es einen Lehrplan? Warum ist die Unterrichtssprache Englisch, wenn es kein Schüler kann? Wie kann ich mich gegen 60 murmelnde Schüler durchsetzen? Und so viele mehr.
Ein paar Erklärungen: Eigentlich sollte die Secondary School komplett in Englisch unterrichtet werden, die Realität sieht anders aus (zumindest in Form I)… Fast kein Schüler versteht mich, wie auch, wenn sie seit sieben Jahren in Swahili unterrichtet wurden.. Über dieses Thema habe ich mit mehreren Lehrern schon lange geredet, es ist kompliziert und von vielen verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten und daher fällt es mir auch noch schwer, eine gefestigte Meinung zu bilden. Mein erster Eindruck war jedoch negativ was dies angeht. Diesen Eindruck hatte ich auch von manchen Lehrern, mit denen ich geredet habe. Ich könnte hier jetzt ne große Argumentation niederschreiben aber das würde den Rahmen vom Beitrag jetzt sprengen und dafür bin ich auch erst zu kurz hier. Also kurz und knapp, was mir mit als erstes durch den Kopf läuft zu diesem Thema: die meisten Schüler behalten sich fast nichts von dem Englischen. Sie sitzen im Unterricht, lassen sich voll reden und warten einfach nur drauf, bis der Lehrer es ja doch in Swahili übersetzt. In das Heft wird dann alles, was vom Lehrer angeschrieben wird (ich kann jetzt nur von Madame Amina reden und da war es einfach 1zu1 das Buch), abgeschrieben und für die Examination größtenteils auswendig gelernt. Ich bin gespannt wie ich das weiterhin Wahrnehmen werde…

Aber zurück zur Schule. Ganze zwei Mal war ich mit Madame Amina zusammen im Unterricht, dann ist sie den Rest der Woche einfach nicht mehr gekommen. Da stand ich also Donnerstag, hab 20 Minuten bevor der Unterricht starten sollte erfahren, dass ich ihn doch bitte allein machen soll. Ich war ehrlich gesagt überrannt. (Zu erwähnen, dass Amina an diesem Morgen noch da war und sie es war, die mir gesagt hat, dass sie jetzt geht und ich es bitte allein machen soll) Nach kurzem hin und her hieß es dann, ich soll gar nicht gehen. Na gut, dann halt nicht. Am nächsten Morgen hat mir wieder bis kurz vor dem Unterricht niemand gesagt, dass ich allein bin. Als ich mich dann überall durchgefragt habe, bekam ich gesagt, was ich befürchtet habe und bin dann einfach allein in Klasse gegangen. So stand ich dann vor etwa 60 Schülern die mich nicht verstehen und ich sie leider auch nicht. Mit ach und Krach hab ich die unvorbereitete Stunde geschafft und bin nach Hause gegangen.

Am folgenden Wochenende habe ich dann angefangen mich vorzubereiten. Da für die Examinations der Inhalt des Buches wichtig ist, habe ich die Texte größtenteils umgeschrieben um sie verständlicher zu machen und eine Vokabelliste für die Schüler (und mich 😀 ) erstellt. So ging es dann Montag richtig los für mich und es ist wirklich um einiges besser gelaufen! Ich hab leider nicht das simpelste Thema zum Einstieg aber mit Händen und Füßen (und wunderschönen *hust* Tafelzeichnungen) stehe ich vorne und erkläre die verschiedenen Impfformen oder was unser Immunsystem ist.. Jede Stunde ist was neues und sieht anders aus. Manchmal machen viele mit, manchmal keiner und leider nie alle. Ich muss sagen, aufgrund der Größe der Klasse fällt es auch einfach unglaublich schwer, alle miteinzubeziehen. Auch lustig, wenn 5 Minuten nach Unterrichtsbeginn ein anderer Lehrer in meine Klasse kommt und im Schlepptau eine andere Form I hat und meint ich solle sie doch bitte diese Stunde mit unterrichten, dann halt knapp 120 Schüler.. kann man mal machen 😀 Dann gibt es halt leider die vier Mädchen hinten in der Ecke, die nichts machen oder den Jungen, der wirklich immer schläft.. man lernt (leider) ein bisschen drüber hinwegzusehen. Die Zeit, die ich nun schon aufgebraucht habe, nur um mit solchen Schülern zu reden geht halt einfach leider drauf und die, die vielleicht grade noch interessiert waren können nur da sitzen und warten. Von Stunde zu Stunde wurde es lockerer und man kann auch einfach mal gemeinsam drüber lachen, wenn ich mich abmühe manche Worte auf Swahili auszusprechen. Ich musste mich jetzt noch die letzten Wochen sehr an Madame Amina halten, da auch sie es war, die den Test aufgestellt hat. Die Mid Term Examinations gingen etwa eine Woche lang und danach waren dann erstmal eine Woche Ferien.

Für mich heißt es jetzt weiter Swahili lernen, dass die Verständigung leichter wird und der Unterricht so hoffentlich besser. Alles in allem kann ich sagen es ist zwar teilweise echt anstrengend wenn man einen Satz sagt, darüber eine Frage stellt und genau 10 Schüler die Antwort wissen (von denen sich die Hälfte nicht traut sich zu melden) aber bis jetzt gefällt mir doch die Atmosphäre in der Schule und das mit dem Unterricht…wie gesagt, ich denke das bessert sich je länger ich da bin und wenn sich dann die Schüler auch an mich gewöhnt haben. Wie oben geschrieben ist das Kollegium noch relativ jung und sehr aufgeschlossen, also hab ich in meinem Freistunden eigentlich immer jemanden zum Reden. Und die hatte ich vor allem in den letzten Wochen gehäuft, da mein Plan nicht ganz mit dem allgemeinen übereingestimmt hat und dann auf einmal zwei Lehrer vorne standen und beide jetzt Unterricht machen wollten 😀 Naja, nach den Examinations soll aber ein neuer Stundenplan kommen, der stimmt dann hoffentlich.. also Pole Pole (heißt sowas wie „Ruhig, Ruhig“ und ist hier ein sehr beliebtes Motto.. bzw eine Einstellung)!

Hier noch meine zwei Schulweg-Funde. Da lohnen sich die 40 Minuten laufen doch 😀 

Ohne die lieben Mädels mit denen ich heim gelaufen bin hätte ich das Chamäleon nie gesehen

Sooo und jetzt mal wieder was aus der Kategorie „Täglich grüßt das Murmeltier“: das Visum… Anscheinend mag mich da wer nicht 😀 Wie ich drauf komme? Am Montag stand (ich war glücklicherweise wegen der Midterm-Break in Singida) scheinbar ein Migration-Officer im Jugendzentrum auf der Matte und hat nach mir gefragt, da ihm gemeldet wurde, dass hier jemand arbeitet. David war zufälligerweise aus Tanga grade dort und hat ihnen erzählt, dass ich noch nicht arbeiten würde sondern ich mich lediglich umschauen würde. Da ich grade in Singida war, konnte ich auch direkt das Reciept mitnehmen, das bezeugt, dass ich mein Workpermit bereits als ich gekommn bin bezahlt habe. Morgen also keine Schule für mich sondern ein Besuch im Migration Office in Lushoto. Ich bin ja mal gespannt was da rauskommt, aber ich hoffe, dass ich dann ab Dienstag offiziell arbeiten darf und sie keine weiteren Probleme machen.

4 Replies to “„Good morning Madame!“”

  1. Hallo Marie,
    schön, wieder mal einen Bericht von Dir zu lesen. Das ist ja Chaos pur da und wenn man bedenkt, dass Du das ganze ja freiwillig machst ist es schon hammermäßig, dass Du noch aufpassen musst, um nicht bestraft zu werden.
    Weiterhin alles Gute und halt die Ohren steif

    Evi

    • Hallo Evi!
      Ja mit dem Visum ist wirklich Chaos seit dem Anfang… Vor drei Jahren war das alles noch gar kein Problem hier, seit letztem Jahr gibt es erst dieses hin und her, sehr nervig. Aber naja da muss man durch… bald ist es ja dann hoffentlich vorüber, das Visum-Chaos 😀
      Danke dir, fühl dich gedrückt.
      Deine Marie 🙂

  2. Das ist ein Bericht aus dem prallen Leben…Ich bin ganz stolz auf Dich, dass Du das alles so schaffst und mit den vielen , unerwarteten Situationen so gut umgehen kannst!
    Und ich denke, dass all das Erfahrungen sind, die auch in Deinem Leben nach Afrika im positiven Sinne nachwirken werden.

    • Danke Opa für den lieben Kommentar 🙂
      Grüße in die Heimat und lasst euch Zwiebelkuchen und Federweißer schmecken, das gibt es hier leider nicht.. 😀 !